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Tötet die E-Mail!
Schweigen ist so intim wie Nacktheit. Und weil die Meisten prüde sind, verdecken sie es unter einem Lendenschurz krauser, struppiger Worte. Diese Zimperlichkeit dem Schweigen gegenüber bekam vor nunmehr 40 Jahren eine neue Prothese: die E-mail. Erinnern wir uns an die damalige Avantgarde. Immer prahlerischer warf sie mit E-mails um sich, stets bombastischer wurden die Anhänge, unaufhaltsam wurde der Inhalt mit schwülstigen Emoticons à la überladen. Das alte Schweigen, in seiner Schwäche, zog sich in raue Berge zurück. Von dort her sandte es, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körniger Kritik: zum Beispiel, wie viel kostbare Lebenszeit durch diese E-mail-Flut zum Klo runtergespült wird. Höhnisch wurde man mittlerweile vom Mainstream geziehen, Vertreter eines besonders schrulligen Kulturpessimismus zu sein, wenn man auch nur gedämpft anzweifelte, ob der weltweite Bestand an Sinn durch diesen Tidenhub der Kommunikation gehoben werde. Aber wir wussten insgeheim – das Pendel schlägt zurück! Die heutige Avantgarde verweigert die E-mail, weil ihre Masse schlicht nicht zu bewältigen ist: Der französischen IT-Dienstleister Atos möchte die elektronische Post aus dem Unternehmensalltag weitestgehend verbannen. Monatliche Sitzungen der Vorstände werden ohne auch nur eine einzige E-Mail mit Präsentationen oder Terminabsprachen vorbereitet. So soll die Effizienz gesteigert werden. Wir finden, das gleicht zwar dem Versuch, eine Tube Zahnpasta auszudrücken und sie hinterher wieder in die Tube zu kriegen. Aber wie alles Heroisch-Aussichtslose verdient der Plan unsre Hochachtung.